— 144 —
Italien , und davon hat, was die beiden letzten Länder anlangt, geradeDeutschland nicht unerheblichen Vorteil gezogen
Die agrarische Opposition gegen Caprivi hatte namentlich durchden Handelsvertrag mit Rumänien eine beträchtliche Steigerung er-fahren. Aber der Schlußakt der ganzen Caprivischen Vertragspolitikstand noch aus: der Vertrag mit Rußland .
Rußland hatte sich bisher streng aus die Grundlage einer starkprotektionistischen und durchaus autonomen Handelspolitik gestellt,und es war zunächst nicht seine Absicht, darin nach dem Abschluß desdeutsch -österreichischen Handelsvertrags eine Änderung eintreten zulassen. Dagegen verlangte es von Deutschland die Anwendung desniedrigeren Getreidczolls auch auf seine Getreidczufuhr. Capriviforderte jedoch für dieses Zugeständnis Konzessionen, die den öster-reichischen gleichwertig seien. Die Forderung wurde von der russischen Regierung kurzer Hand im April 1893 abgelehnt. Die deutsche Regie-rung gab sich dabei zunächst zufrieden. Aber Rußland setzte, nachdemdie Reichsregierung einige kleinere Zugeständnisse, die die russische Re-gierung vorher schon Frankreich gemacht hatte, als ungenügend ab-lehnte, Deutschland gegenüber seinen Maximaltarif in Anwendung,und Deutschland anwortete im Juli 1893 mit einem Zollzuschlag von50 °/v gegen russische Waren. Nunmehr betrug der Zoll auf russischesGetreide 7,50 Mk., gegen 3,50 Mk. auf dasjenige der Vertragsländer.
Beide Teile wurden durch diesen Zollkrieg schwer geschädigt. Die rus-sische Landwirtschast und der russische Getreidehandel litten ebenso sehr,wie die deutsche Exportindustrie und der Handel der östlichen Provinzen.Infolge dieser Wahrnehmungen war bereits im Herbst 1893 auf beidenSeiten Geneigtheit für eine Verständigung vorhanden. Die russische Regierung schickte in aller Stille Unterhändler nach Berlin; von deutscher Seite wurden der jetzige Reichsschatzsekrekär Freiherr v. Thielmann undGeneralkonsul v. Lamczan mit der Leitung der Verhandlungen betraut.
Nach außerordentlich langwierigen und hartnäckigen Verhand-lungen war endlich im Februar 1894 das Zustandekommen eines Ver-trags gesichert. Deutschland erzielte dabei den Mitgenuß aller der Ver-günstigungen. die Rußland vorher an Frankreich gewährt hatte, undaußerdem eine lange Reihe von Zollermäßigungen von teilweise beträcht-lichem Wert. Von den 218 Positionen des russischen Tarifs wurden 86teils ermäßigt, teils gebunden. Deutschlands Gegenkonzession bestandeinzig und allein in der Ausdehnung seines Vertragstarifs auf Rußland .