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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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überein, daß die Bewertung der landwirtschaftlichen Grundstücke inder besten Zeit der deutschen Landwirtschaft, in den 60 er und 70 erJahren, als gleichzeitig mit der rationelleren Technik und der Steigerungdes Ernteergebnisses auch der Getreidepreis stark in die Höhe ging, daßdamals die Bewertung der Grundstücke der Steigerung des Ertrags weitvorausgeeilt ist, und daß inzwischen, während der ungüustigeren Kon-junktur, die notwendige Reduktion des Verkehrswertes nicht eingetretenist'. Wenn ein Grundstück einen Ertrag abwirft von 10000 Mk. nndich kaufe dieses Grundstück zu 500000 Mk.. dann darf ich mich nichtWundern, wenn das Grundstück nur zu 2°/o rentiert, ich habe dannaber auch kein Recht, vom Staat zu verlangen, er solle dafürsorgen, daß mein Grundstück zu 4 oder 5°/o rentiere. Der Wert einesGrundstückes muß sich nach seinem Ertrag richten, nicht umgekehrt derErtrag nach einem übertrieben hohen Bodenwert. Wie enorm hochaber bei uns der Bodenwcrt im Vergleich zu unsren wichtigsten Kon-kurrenzländern ist, darüber hat Prof. Brentano neulich in einemVortrag folgende Angaben gemacht^ In Rußland kostet der Hektarin den Gouvernements, die am meisten am Getrcideexport nachDeutschland beteiligt sind, je nach der Lage 28240 Mk. In denVereinigten Staaten betrug der Preis nach einer amtlichen Statistikvon 1891 in den wichtigsten Getreidegebieten 72-384 Mk. In Argen-tinien kostet der Hektar guten Landes, bequem an der Eisenbahn ge-legen, 60 Mk. In Deutschland aber stellte sich das von der preußischenAnsiedelungskommissivn angekaufte Land im Jahre 1899 durchschnittlichouf 824 Mk. pro Hektar. In Bayern veranstaltete Erhebungen habeneinen durchschnittlichen Preis von 900 Mk. für den Hektar schlechtenBodens ergeben. In Westdeutschland ist der Bodenpreis noch beträchtlichhöher. Der Bodenpreis in Deutschland ist mithin um das Doppelte

i So schreibt Prof. Dr. Th, Frhr . von der Goltz, Die agrarischen Aufgabender Gegenwart, Jena 18S4, S. 44:In der ganzen Periode von etwa 1830 bis 1880haben sich die Gutsbesitzer wie die Pachter an die durch die bisherige Erfahrung her-vorgerufene Meinung gewöhnt, daß die Reinerträge fortdauernd steigenmüszten. Hiernach wurden die Gutspreise von Käusern wie Verkausern, von Erbenwie Erblassern bemessen. . . . Infolge dessen sind die sür Güter gezahlten Preise schonseit einem Jahrzehnt nicht nur dem zukünftig zu erwartenden, sondern auch demgegenwärtigen Ertragswert nicht entsprechend; sie sind nach einem so hohen Er-tragswert bemessen, wie sie ihn auch in der Vergangenheit niemalsgehabt haben."

" Siehe Lujo Brentano, Das Freihandclsargument, Berlin-Schöneberg ,1901, S. 17.