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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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bis Fünfzehnfache höher als in den Konkurrcuzländcrn. Kann mansich unter diesen Verhältnissen darüber Wundern, wenn der Boden nureine niedrige Verzinsung abwirft? und kann man dem Staat ernstlichzumuten, daß er durch seine Zollpolitik eine hinreichende Verzinsungdieses übertriebenen Bodenwertes gewährleiste?

Schlimm ist es allerdings für die Grundbesitzer, wenn ihre Güterentsprechend dem zu hoch angenommenen Bodenwert verschuldet sind. Diewillkürliche Überschätzung des Bodenwertes hat leider dazu geführt, daßviele Güter bei Käufen durch Kaufgeldrester, bei Erbteilungen durch Au-teile der Miterben hypothekarisch viel zu hoch belastet worden sind, daßinfolgedessen die Zinsen für die Grundschuld den ganzen Reinertragabsorbieren. Wenn ich ein Landgut, das etwa 10000 Mk. im Jahreabwirst, zu 500 000 Mk. kaufe und ich lasst davon 250000 Mk. alsHypothek zu 4«'o auf dem Gut stehen, dann habe ich 10000 Mk. jähr-lich zur Verzinsung dieses Kaufgeldrestes aufzuwenden, also den ganzenReinertrag, uud mir bleibt nichts. Dann stellt sich die Behauptungein, daß die Landwirtschaft die Produktionskosten nicht decke und daßdie Landwirtschaft zu Gruude gehe, wenn ihr der Staat nicht durcheine Steigerung der Getreidepreise hilft. Leider befindet sich ein großerTeil der Landwirte, nicht nur durch zu hohe Kaufpreise, sondern vorallem auch durch eine zu hohe Veranschlagung des Bodenwertes beimErbgang, uud dem entsprechend durch eine zu hohe Belastung, wenneiner unter mehreren Erben das ganze Gut übernimmt und den andernihren Anteil auszahlen oder hypothekarisch sicher stellen muß. in einersolchen schlimmen Lage. Das Mißverhältnis zwischen Boden-wert und Bodenertrag ist der Kern der Notlage derLandwirtschaft^; es kann ans zwei Wegen beseitigt werden: durcheine niedrigere Bewertung des Bodens, oder durch eine Steigerungdes Bodenertrags. Es ist begreiflich, daß die Grundbesitzer denletzteren Weg vorziehen. Es ist auch zuzugeben, daß sie vielfach sichbemühen, durch rationellere Wirtschaft das Ihrige zur Steigerung desErtrags zu thun, wenn auch in dieser Beziehung sicherlich noch vielmehr geschehen könnte. Aber das Bequemste ist es, die Hilfe desStaates in Anspruch zu nehmen und die Ertragssteigerung durch hohe

' von der Goltz, a. a. O-, S. 46, schreibt:Für den vorurteilsfreien Sach-kenner steht es fest, dasz die Hauptursciche der bei den Landwirten herrschenden Not inder Überschuldung von deren Gütern zn suchen ist;" und die Überschuldung sührter zurück aus die Überschätzung des Ertragswertcs des Bodens.