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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Rindvieh in den kleinen Betrieben von 15 Hektar. Der Schwer-punkt der Viehzucht, soweit es bei ihr auf die Fleischproduktionankommt, liegt also in den kleinen und mittleren Betrieben, vondenen die ersteren von hohen Getreidepreisen in der Regel keinen Vor-teil ziehen können, während bei den mittleren Betrieben das Interessean hohen Getreidepreisen zu einem großen Teil aufgewogen oder garüberwogen werden dürfte durch das Interesse an billigen Futtermittelnund günstigen Fleischpreisen. Hier zeigt sich noch deutlicher als vor-her, daß im allgemeinen nur die großen Besitzer ein mehr als schein-bares Interesse an einer Erhöhung der Getreidezölle haben.

Freilich, die Erhöhung der Getreidezölle soll ja nur ein Gliedin der Kette des von den Agrariern verlangten umfassenden Schutzesder landwirtschaftlichen Erzeugnisse darstellen; allen Zweigen der land-wirtschaftlichen Produktion soll in gleicher Weise eine Erhöhung des Zoll-schutzes zu teil werden, dem Fleisch, der Milch, dem Käse, den Eiern, demObst, dem Gemüse u. s. w., selbst die Blumen werden nicht vergessen.

Wird nun aber wirklich die Begünstigung, welche man den Vieh-züchtern durch eine Erschwerung und Verteuerung der Einfuhr vonVieh und Fleisch zuzuwenden hofft, hinreichen, um für diese die Ver-teuerung der eignen Brotnahrung und der Futtermittel aufzuwiegen? Das erscheint mindestens zweifelhaft; denn die Landwirte werdentrotz aller Zollerhöhungen für Fleisch u. s. w. keine höheren Preiseerzielen können, wenn die große Masse der Verbraucher dieser Artikelweniger kaufkräftig sein wird. Namentlich der in der Nähe derStädte in gesunder Entwicklung begriffene Kleinbetrieb, der sich mitMilchwirtschaft, Gemüsebau u. s. w. beschäftigt, würde durch dieVerringerung der Kaufkraft der industriellen Bevölkerung empfindlichgetroffen werden.

Es ergiebt sich daraus, daß ein gleicher Zollschutz nicht bei allenWaren gleich wirksam ist. Die Wirksamkeit ist am größten bei dennotwendigsten Bedarfsartikeln, bei denen eine Einschränkung desKonsums auch bei steigenden Preisen am wenigsten zu befürchten ist;aber gerade diese Wirksamkeit des Zolls bei den notwendigstenNahrungsmitteln schränkt die Wirksamkeit des Zolls bei den ent-behrlicheren Dingen ein, indem sie der preissteigernden Tendenz derZollerhöhung ein Gegengewicht schafft in der preisdrückendenWirkung der Verminderung der Kaufkraft der Bevölkerung. Unterdiesem Gesichtspunkt betrachtet muß der Gedanke eines umfassenden,