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Soviel ist sicher richtig, daß die gesamte Volkswirtschaft stetsVorteil hat von der Blüte eines jeden einzelnen Produktionszweigesund daß umgekehrt der Niedergang jedes einzelnen Produktionszweigesauch auf die übrigen Zweige zurückwirken muß. Die Frage ist nur, obdiese allgemeine Behauptung auch dann zutrifft, wenn die Blüte einesProduktionszweiges nicht auf einer Steigerung seiner Produktivitätberuht, auf der Vermehrung der Gütermenge, die er mit dem gleichenArbeits- und Kapitalaufwand der Volkswirtschaft zur Verfügung stellt,fondern wenn die Blüte künstlich geschaffen werden soll durch eine Er-höhung der Rentabilität auf Kosten der übrigen Bevölkerung.
Durch eine Erhöhung der Getreidepreise, die der inländische Kon-sument an den inländischen Produzenten zahlen muß, kann unmöglichdie Versorgung der Gesamtheit mit wirtschaftlichen Gütern gesteigertwerden, und von einer auf diesem Weg künstlich erzeugten Steigerungder Rentabilität des Bodens können unmöglich diejenigen Erwerbs-zweige, auf deren Kosten die Rentabilität des Bodens gesteigert wird,einen Vorteil ziehen.
Was den Landwirten durch den Zoll an Einnahmen und in-folgedessen an Kaufkraft mehr zugeführt wird, das hat das übrigeInland — seien es nun die Händler, die Müller, die Bäcker oder dieKonsumenten — an Einnahmen und an Kanfkraft weniger. TausendMark sind in der Tasche eines Grundbesitzers nicht mehr, als tausendMark in der Tasche eines Getreidehändlers, und nicht mehr, als jezehn Mark in den Taschen von hundert Konsumenten. Die Kanfkraftder Landwirte gewinnt höchstens das, was die Kaufkraft der übrigenBevölkerung verliert. Das Gesamteinkommen des Landes würde nichtsteigen, sondern nur seine Verteilung würde zu Gunsten der land-wirtschaftlichen Grundbesitzer verschoben werden.
Socialpolitisch ist es nun von großer Wichtigkeit, welcher Teilder Bevölkerung besonders getroffen würde durch die Zuwendung andie Grundbesitzer; ob in der That, wie die Agrarier behaupten, imIvesentlichen nur der Zwischenhandel und die Müller und Bäcker, nichtaber die Konsumenten, die höheren Getreidepreise zu tragen hätten.Der Satz, daß die Brotpreise unabhängig von den Getreidepreisenseien, und daß mithin nicht die Brotkonsumenten sondern nur die„Zwischenhand" die Erhöhung der Getreidepreise zu tragen habe, istebenso alt wie unzutreffend. Daß die Brotpreise den Schwankungender Getreideprcise nicht in jeder kleinen Bewegung und nicht exakt