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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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im Verhältnis folgen können, ist klar; denn der Getreidepreis ist nichtder einzige Faktor unter den Produktionskosten des Brotes. Die be-trächtlichen Unkosten des Müllers und Bäckers, die sich nicht mitden Getreidepreisen verändern, kommen hinzu, und deshalb könnendie Preisschwankungen des Getreides in den Brotpreisen nur inabgeschwächtem Maße in Erscheinung treten. Da die Arbeitslöhnein der Müllerei und Bäckerei beträchtlich gestiegen sind, undebenso die Mieten, die namentlich für den Bäcker in großen Städtenvon wesentlicher Bedeutung sind, ist es auch erklärlich, daß der Ab-stand zwischen dem Getreidepreis und dem Brotpreis allmählich etwasgrößer geworden ist. Vor allem aber sind auch die Veränderungenim Gewicht und in der Qualität des Brotes in Betracht zu ziehen.Eingehende statistische Untersuchungen der Getreide- und Brotpreisein Berlin haben nun einen vollständigen Parallelismus ergdben. Von1886 bis 1898 ist nur in einem Jahr der Preis des Roggenbrotesgestiegen, während der Roggenpreis gefallen ist, und in diesem Fallvon 1895 auf 1896 ist der durchschnittliche Roggenpreis um 0.8°/»gefallen, der Roggenbrotpreis um l^/s °/o gestiegen, also eine verschwindendeAbweichung! In allen übrigen Fällen dagegen ist eine weitgehendeÜbereinstimmung in der Preisbewegung von Brot und Getreide vor-handen^. Dadurch wird bestätigt, was sich eigentlich der gesundeMenschenverstand von selbst sagen muß. Die Zwischenhand ist unternormalen Verhältnissen außer stand, eine starke Verteuerung des Ge-treides ohne eine Steigerung der Brotpreise zu tragen. Händler,Müller und Bäcker würden nur noch mit Verlust arbeiten können undbald zu Grunde gehen. Andrerseits sorgt die freie Konkurrenz dafür,daß die Zwischenhand bei sinkenden Getreidepreisen nicht dauernd dieBrotpreise hoch halten und dauernd ungewöhnlich hohe Gewinne ein-stecken kann. Die Preiserhöhung des Getreides, wie sie von denAgrariern erstrebt wird, muß deshalb in letzter Linie die Konsumententreffen; nicht die Zwischenhand, sondern die Konsumenten haben dieKosten der Preissteigerung zu bezahlen.

Nun ist es eine feststehende Thatsache, daß im allgemeinen in denWohlhabenden Schichten der Bevölkerung, in denen mehr an Fleisch,an Zucker u. s. w. verbraucht wird, der Brotverbrauch geringer ist,als in den unteren Schichten, die mehr auf überwiegende Brotnahrungangewiesen sind. Ein Zoll auf Getreide trifft deshalb die ärmeren

' Vergl. Conrad, a. a. O., S. 111.