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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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schließlich nur majorisiert, nicht aber miteinander ausgeglichenwerden, statt dessen wäre es angebrachter, das Gesamtintcresseunsres Vaterlandes, das sehr Wohl mit den Forderungen einer starkenInteressengruppe kollidieren kann, voranzustellen, um dann in zweiterLinie zu untersuchen, wie die sich etwa ergebenden Schädigungen ent-gegenstehender Einzelintcressen vermieden oder beschränkt werden können.

Es liegt nun einmal im Wesen unsrer Wirtschaftsverfassung be-gründet, daß kein erheblicher Fortschritt für die Allgemeinheit erzieltwerden kann, unter dem nicht bestimmte Einzclinteressen leiden. Alleökonomischen Fortschritte laufen darauf hinaus, daß mit geringeremAufwand von Kosten uud Arbeit dasselbe Resultat erzielt wird; alletechnischen Verbcsserungen, alle Erfindungen wirken nach dieser Richtunghin, und ebenso liegt die große volkswirtschaftliche Bedeutung desAußenhandels, wie ich ja in meinen ersten Vorträgen ausführlichgezeigt habe, durchaus auf diesem Felde. Aber wie die Erfindung derDampfmaschine, des mechanischen Webstuhls und ähnlicher Maschinen so vorteilhaft diese Errungenschaften auch für die Gesamtheitwaren doch vorübergehend über einzelne Berufe und Klassen dasschwerste Elend gebracht haben, so kann auch auf dem Gebiet desAußenhandels der Vorteil der Gesamtheit möglicherweise eine Be-nachteiligung und Zurückdrängung bestimmter Einzelinteressen in sichschließen.

Keine Wirtschaftspolitik hätte es verantworten können, der Ge-samtheit etwa die Vorteile des mechanischen Webstuhls oder derEisenbahnen vorzuenthalten, weil dadurch in einem Fall die zahlreicheKlasse der Tuchhandwerker, im letzteren Fall die Fuhrleute in Be-drängnis geraten sind und den Boden ihrer Existenz unter den Füßenverloren haben. Eine Berücksichtigung der vor der Erfindung derDampfmaschine vorhandenen Sonderinteressen hätte die Dampfmaschineniemals aufkommen lassen. Und wenn in unserm Fall aus demAußenhandel der Gesamtheit die erheblichsten Vorteile erwachsen,wenn es wahr ist, daß die wirtschaftliche Blüte und mit ihr auch inletzter Linie die politische Machtstellung unsres Vaterlandes zu einemgroßen Teil auf dem Handelsverkehr mit dem Ausland beruhen, dannist damit die Richtschnur sür die künftige Gestaltung unsrer Handels-politik gegeben, und keine Einzelinterefsen, auch nicht das eines so zahl-reichen und wichtigen Standes, wie desjenigen der Grundbesitzer,dürfen die deutsche Handelspolitik von dieser Richtschnur abdrängen.